„Anna oder: Was von seinem Leben bleibt“. – Ein Buch, das sich gut verkauft, das auf der Beststeller-Liste ganz oben rangiert. Eine Lesung, die auf großes Interesse stieß. Für Autor Henning Sußebach war der Abend im Evangelischen Gymnasium auch ein Familientreffen.

Sußebach, der mit der Geschichte seiner Urgroßmutter einen Senkrechtstart hingelegt hatte, war am Montagabend, 1. September, Gast der Literaturtage. Viel wusste er nicht von Anna Kalthoff, geboren 1866, als er sein Buch-Projekt über die Frauenrechtlerin startete. Ein altes Foto der jungen Lehrerin, die, gerade Anfang 20, ihren Job im sauerländischen Cobbenrode antrat, die ein für die damalige Zeit ungewöhnliches Leben führte. Widrige Bedingungen, große Liebe, tragischer Tod des Mannes nach nur zwölf Wochen Ehe und eine starke Frau, die sich in der von Männern dominierten Dorfgemeinschaft als erfolgreiche Geschäftsfrau durchsetzt.

Vieles im Buch bleibt Spekulation, ist Fiktion oder Wunschdenken, wie Sußebach in seiner Mischung aus Lesung und Werkstatt-Bericht einräumt. Er war „selbst überrascht vom Erfolg“ des Buches. Aber wie Anna ihr eigenes Leben gelebt hat, berühre offenbar nicht nur ihn, sondern viele.

Gegenentwurf zur maskulinen Geschichtsschreibung

Zur Lesung in Meinerzhagen war auch Verwandtschaft aus der näheren Umgebung angereist, eine Tante des Autors und drei Ururenkel der Protagonistin. Diese füllte als Porträt dominant die Bühnenrückwand aus. Das Bild war eines der wenigen Objekte, auf die sich Sußebach bei seinen Recherchen stützen konnte. Im Nachgang tauchte noch ein Kochbuch auf. Und Annas Verlobungsring, der im Saal war, gab er Einblick in familiäre Gegebenheiten.

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Foto: Rüdiger Kahlke / LokalDirekt

Die Geschichte seiner Urgroßmutter schilderte der Autor auch als Entdeckungsreise in eine Epoche, mit der er sich vorher nicht viel beschäftigt hatte. Die Vita der jungen Lehrerin, späteren Gastwirtin und Leiterin der Postagentur verknüpft er mit historischen Einsprengseln. In die Zeit um die Wende zum 20. Jahrhundert fielen etwa der Bau des Eiffelturms und der Titanic. Historische Fakten, die auch die Lesefreunde der Nutzer anregen sollten, gab er Einblick in seine Intentionen. Dazu gehörte auch, Annas Leben aufzuschreiben, „weil Geschichte immer noch überwiegend maskulin ist“. Die Verkaufszahlen des Buches sprechen für sich. Die Lesung, gemeinsam von der Stadtbücherei und der Buchhandlung Schmitz organisiert, war mit gut 130 Besuchern ebenfalls eine Erfolgsgeschichte.