Interview.
Am 14. September wird in Breckerfeld eine neue Stadtvertretung gewählt. Im Vorfeld der Kommunalwahl hat LokalDirekt mit Vertreterinnen und Vertretern von Bündnis 90/Die Grünen Breckerfeld über ihr Wahlprogramm gesprochen. Im Interview erläutern sie, wie sie die kommenden fünf Jahre in Breckerfeld gestalten möchten - insbesondere im Hinblick auf Themen wie Nachhaltigkeit, Mobilität, Inklusion und Bürgerbeteiligung.
LokalDirekt: Sie nennen Nachhaltigkeit, Transparenz und soziale Gerechtigkeit als zentrale Leitlinien Ihrer Politik. Wie sollen sich diese Grundsätze in den kommenden fünf Jahren konkret in Ihrer politischen Arbeit zeigen?
Uwe Brüggemann: Nachhaltigkeit bedeutet für uns ganz konkret, dass wir umweltfreundliche Projekte fördern – etwa den Ausbau erneuerbarer Energien, energiesparende Gebäude und eine bessere Mobilität mit Radwegen und E-Ladestationen. Auch Müllvermeidung, Recycling und nachhaltige Stadtplanung gehören dazu. Soll heißen: Jede städtebauliche Entscheidung ist mit gleichberechtigter Priorität auf ihre umwelttechnischen Konsequenzen zu überdenken, Klima und Umweltfreundlichkeit muss ein relevanter Faktor bei allen Entscheidungen sein.
Dr. Andreas Balster: Bei der Transparenz denken wir an ganz praktische Dinge wie ein öffentliches Straßen- oder Baumkataster und eine bessere Kommunikation mit der Öffentlichkeit, zum Beispiel in Form einer Pressemitteilung zu relevanten Ausschussthemen.
Derek Klein: Und was soziale Gerechtigkeit betrifft: Soziale Gerechtigkeit wird in Breckerfeld selten thematisiert, denn sowohl der Kommune als auch den meisten Bürgern und Bürgerinnen geht es vergleichsweise gut – 2020 lag Breckerfeld mit dem Durchschnittseinkommen auf Platz 58 von 396 Kommunen in NRW. Aber Geld ist nicht alles. Wir möchten insbesondere für diejenigen Politik machen, deren Bedürfnisse bei politischen Entscheidungen nicht die höchste Priorität genießen.
Uwe Brüggemann: Gesellschaftliche Teilhabe zeigt sich aber konkret in Fragen der Mobilität, der Bildungschancen und im Zugang zu kulturellen Angeboten. Wir möchten Arm und Stimme für die sein, an die man nicht zuerst denkt, wenn Straßen, Siedlungen, städtische Einrichtungen geplant und erneuert werden. Deswegen bieten wir auch als einzige Fraktion eine regelmäßige Bürgersprechstunde an – ein niederschwelliges Angebot für alle Bürger und Bürgerinnen.
Ines Reiling: Ein Beispiel für soziale Inklusion ist unser Antrag, dass die Stadtverwaltung bei zukünftigen baulichen und planerischen Maßnahmen grundsätzlich die Barrierefreiheit und die Beratung durch Inklusionsexperten einbezieht. Leider sind wir damit gescheitert.
Dr. Andreas Balster: Der Antrag hätte keinesfalls Barrierefreiheit verpflichtend gemacht, das war nicht die Absicht. Es wurde seitens des Rats aber so missverstanden und abgelehnt. Es ging nur um die Einführung einer Kontrollinstanz, um bei jedem Vohaben Inklusion zu thematisieren, was im Einzelfall durchaus auch Entscheidungen gegen eine Barrierefreiheit bedeuten kann – zum Beispiel aus Gründen des Denkmalschutzes oder anderer Faktoren.


Viele Bürger empfinden Politik als zu abstrakt. Wie wollen Sie dafür sorgen, dass Politik auf kommunaler Ebene im Alltag 'erlebbar' wird?
Dr. Andreas Balster: In der Bundespolitik mögen viele Themen abstrakt erscheinen – es geht um große Zahlen, lange Entscheidungshorizonte und eine statistische Betrachtung der Bevölkerung. Hier in Breckerfeld ist Politik aber zwangsläufig konkret und ihre Auswirkungen in der Regel für alle sichtbar. Das ist ein großer Vorteil kleiner Kommunen.
Ein Beispiel: Unser Radwegekonzept ist möglicherweise abstrakt. Der barrierefreie Übergang an der Siedlung Wengeberg zwischen Münzstraße und Frankfurter Straße, der Zweiradfahrern, eingeschränkten Menschen und Eltern mit Kinderwagen einen Umweg von 200 Metern erspart, ist für jeden Passanten täglich eine konkrete Hilfe.
Der historische Stadtkern ist prägend für Breckerfeld. Wie wollen Sie den Spagat zwischen Denkmalschutz, Klimaanpassung und moderner Stadtentwicklung schaffen?
Oliver Ochsenfarth: Es gibt viele Lösungen, die sich mit dem historischen Stadtbild vereinbaren lassen – etwa durch Stadtbäume, Trinkwasserbrunnen oder Photovoltaik. Auch bei denkmalgeschützten Gebäuden ist Veränderung möglich, das muss allerdings im Einzelfall geprüft werden.


Sie wünschen sich ein integriertes Stadtentwicklungskonzept. Was wäre darin Ihrer Meinung nach die wichtigste erste Maßnahme?
Ines Reiling: Wir möchten eine Vision, ein festgelegtes Ziel. Nur dann kann man über die Wege zum Ziel politisch streiten. Ein Arbeitskreis aus interessierten Bürgern und Politikern wäre ein Anfang.
Sie fordern eine feste Stelle für Stadtentwicklung in der Verwaltung. Kritiker könnten das als Bürokratieausbau sehen - was entgegnen sie?
Uwe Brüggemann: Wir denken an eine flexible Lösung – zunächst eine anteilige Stelle, die je nach Projektlage ausgebaut werden kann. Hier sollten auch eventuelle Förderprogramme erkannt und zielgerecht durch entsprechende Projekte umgesetzt werden.
Bezahlbarer Wohnraum ist nicht nur in Großstädten, sondern auch in Breckerfeld ein Thema. Welche konkreten Instrumente sehen Sie, um Angebote für junge Familien und Ältere zu schaffen?
Derek Klein: Wir brauchen mehr Mehrfamilienhäuser in Neubaugebieten und müssen das Mehrgenerationenwohnen fördern. Auch Wohnbörsen, bei denen etwa große gegen kleine Wohnungen getauscht werden können, sind eine gute Möglichkeit.
Wie wollen Sie die Leerstände im Ortskern verringern – welche kreativen Ideen haben Sie, um das Zentrum zu beleben?
Frank Schäfer: Aktuell sieht es in der Stadt ganz gut aus. Zukünftig sollten Leerstände zeitnah durch finanzielle Anreize möglichst erst gar nicht entstehen.


Eine zentrale Forderung Ihres Wahlprogramms ist ein Inklusionsrat. Wie soll er arbeiten und welche Entscheidungen könnte er beeinflussen?
Oliver Ochsenfarth: Wir möchten sicherstellen, dass bei künftigen städtischen Bauvorhaben Fachleute aus den Bereichen Barrierefreiheit und Inklusion frühzeitig in Planungsprozesse eingebunden werden. So verhindern wir Barrieren, bevor sie entstehen.
Auch betroffene Gruppen, wie Menschen mit Behinderungen oder entsprechende Interessenvertretungen, sollten regelmäßig und verbindlich in die Planung neuer Vorhaben einbezogen werden, damit ihre Bedürfnisse und Perspektiven Gehör finden. Barrierefreiheit und Inklusion muss ein selbstverständlicher Bestandteile einer modernen und zukunftsorientierten Stadtentwicklung sein.
Viele Bürgerinnen und Bürger sorgen sich um die ärztliche Versorgung in Breckerfeld – welche Lösungen schlagen Sie vor?
Derek Klein: Die Lage hat sich etwas verbessert, aber das reicht nicht. Wir brauchen langfristige Lösungen – durch Digitalisierung, bessere Rahmenbedingungen für Ansiedlungen und gezielte Unterstützung medizinischer Angebote vor Ort.
Auch Breckerfeld soll klimaneutral werden. Welche nächsten Schritte planen Sie, um dieses Ziel einzuleiten?
Uwe Brüggemann: Aktuell wissen wir gar nicht, wie Breckerfeld eigentlich dasteht – es fehlt eine Klimabilanz. Das muss der erste Schritt sein. Danach brauchen wir praktische Maßnahmen: mehr Ladeinfrastruktur, E-Fahrzeuge für die Stadt, mehr Stadtbäume und Blühwiesen.
Frank Schäfer: Es sollten auch Best Practice-Beispiele für eine Klimaverbesserung betrachtet werden – wie machen andere Kommunen? Stichpunkt Umrüstung kommunaler Fahrzeugflotten auf elektrisch oder hybrid oder die Ausstattung städtischer Gebäude mit Photovoltaik.
Ines Reiling: Ergänzend dazu mehr Bewusstseinsbildung und Beteiligung von Bürgern schaffen, zum Beispiel durch Workshops, Klimaschutzunterricht oder Projekte in Schulen.
Sie wollen ein kommunales Förderprogramm für Solarenergie. Wo sehen Sie die größtenChancen für private Haushalte und Betriebe?
Frank Schäfer: Fakt ist: Die Energiepreise werden weiter steigen, und der CO₂-Preis wird ab 2027 dem Markt überlassen. Und wir müssen es unseren Bürgern ermöglichen, diese Transformation möglichst sanft durchzustehen.
Für jeden gefällten Baum sollen laut Ihrem Wahlprogramm zwei neue gepflanzt werden – wie wollen Sie sicherstellen, dass dies verbindlich kontrolliert wird?
Oliver Ochsenfarth: Durch ein Baumkataster könnte sichergestellt werden, dass entsprechend neue Bäume gepflanzt werden. Viele Kommunen in Deutschland führen mittlerweile ein Baumkataster, allerdings gibt es große Unterschiede in Umfang, Qualität und Nutzung.

Gerade im ländlichen Raum ist Mobilität eine große Herausforderung. Wie beurteilen Sie die ÖPNV-Situation in Breckerfeld?
Uwe Brüggemann: Die Situation ist schlecht. Die Linie 550 fährt nur noch stündlich, das ist zu wenig. Ein Schnellbus nach Hagen und bessere Taktung bei den Linien 84 und 512 wären erste wichtige Schritte.
Sie sprechen im Wahlprogramm von Bürgerbussen, Car Sharing, digitalen Mitfahrangebote: Klingt nach Innovation – wie wollen Sie diese Projekte in einer Kleinstadt wie Breckerfeld praktisch umsetzen?
Ines Reiling: Ansätze wie „FluxFux on Demand“ sind gut, aber für ältere Menschen ohne Smartphone nicht praktikabel. Jugendliche wiederum brauchen längere Nachtexpresszeiten. Digitale Mitfahrangebote könnten die Mobilität insgesamt verbessern – gerade in ländlichen Räumen.
Stichwort Radverkehr: Welche Prioritäten setzen Sie?
Dr. Andreas Balster: Der Radweg nach Zurstraße ist bereits in Planung. In der Innenstadt und Richtung Halver sind viele Fußgängerwege, die nur umgewidmet werden müssten. Wir haben bereits etliche Anträge in diese Richtung gestellt, die meisten wurden abgelehnt
Auf Ihren Wahlplakaten fordern Sie „echten digitalen Fortschritt“. Was genau ist darunter zu verstehen?
Derek Klein: Uns schwebt eine ‚Breckerfeld App‘ vor, die Bürger und Bürgerinnen verbindet, vernetzt und kurze Wege zur Stadtverwaltung erlaubt. Wilde Müllkippen, Schlaglöcher, bauliche Missstände sollten digital dokumentiert und schnell gemeldet werden können. Das verringert übrigens auch den bürokratischen Aufwand. Auch Mitfahrgelegenheiten, Selbsthilfegruppen und Eventorganisation ließen sich dort unterbringen. Natürlich nicht alles auf einmal, aber wir würden einen Anfang wagen.
Frank Schäfer: Digitale Assistenten auf der Website der Stadtverwaltung könnten sich niederschwellig der Anliegen der Stadtbewohner und -bewohnerinnen annehmen. Mittlerweile ist das auf zahlreichen Websites, öffentlich oder privat, Standard.
Sie wollen politische Bildung und Bürgerbeteiligung stärken. An welche Formate denken Sie dabei?
Ines Reiling: Podiumsdiskussionen, Infoveranstaltungen bei großen Projekten, ein Jugendparlament – all das bringt Politik näher an die Menschen und stärkt die Demokratie vor Ort.
In Ihrem Wahlprogramm fordern Sie, gegen Hass und Hetze „klare Kante“ zu zeigen. Was bedeutet das für die politischen Arbeit vor Ort?
Uwe Brüggemann: Wir bringen Straftaten zur Anzeige, Schmierereien und damit verbundener Vandalismus sind keine Kavaliersdelikte. Wir stehen dafür, dass Breckerfeld bunt ist und bleibt – das ist für uns nicht verhandelbar.
Welche Themen sehen Sie als die dringendsten für die kommenden fünf Jahre?
Derek Klein: Verkehr, Klimaneutralität, Integration und Inklusion.
Und zuletzt: Wenn Sie einen Bürger in einem Satz davon überzeugen müssten, Grün zu wählen – was würden Sie sagen?
Ines Reiling: Wir Grünen haben durch unsere regelmäßigen Bürgersprechstunden Kenntnis von den Missständen in unserer Stadt und können diese durch konstruktive Zusammenarbeit mit anderen Fraktionen über Anträge im Rat verändern - und dazu braucht es eine starke grüne Fraktion.
Vielen Dank für das Gespräch.