Er wird als Leiter der Familienbades und des Saunadorfes unbestritten in seinem Element sein: Ricardo Rietzschel ist Wasserballer und Rettungsschwimmer, war auf dem Sprung in die Nationalmannschaft für die Olympiade 2000 in Sydney. Die Stadtwerke Lüdenscheid und die Enervie-Gruppe haben den 44-jährigen gebürtigen Oberlausitzer, der bisher das Freizeitbad "Wonnemar" in Bad Liebenwerda leitete, als Nachfolger von Ronald Eden verpflichtet, der aus dem Bäderbetrieb in Lüdenscheid und Kierspe sowie aus dem Saunadorf als Leiter ausscheidet.
Seit dem 1. Dezember 2021 war Eden Leiter des Bäderbetriebes in Lüdenscheid sowie in Personalunion Geschäftsführer des Bäderbetriebs Kierspe. Nach vier Jahren wechselt er jetzt ins "H2O Sauna- und Badeparadies" in Remscheid-Lennep. Enervie-Vorstand Volker Neumann sparte im Pressetermin mit LokalDirekt nicht an Lob für Eden: „Unter seiner Leitung haben sich das Familienbad Nattenberg und das Saunadorf kontinuierlich weiterentwickelt und erfreuen sich weit über die Stadtgrenzen hinaus einer großen Bekannt- und Beliebtheit." Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen mit der Corona-Pandemie, der Rahmedetal-Brückensperrung, den Kriegsereignissen in der Ukraine und der Explosion der Energiepreise habe es Roland Eden geschafft, mit Erfahrung, Expertise und Findigkeit die Besucherzahlen zu stabilisieren und sogar zu steigern. Auch im laufenden Jahr ist die positive Entwicklung vor allem im Saunadorf weiter fortgeschritten. Dort verzeichneten die Bäderbetriebe Lüdenscheid bis Ende August fast 3.000 Gäste mehr als im Vorjahr. Eden sei jeweils die richtige Antwort auf die drängenden Fragen gelungen, betonte Neumann - und stellte dem scheidenden Badleiter damit ein höchst respektables Zeugnis aus.
"Blick nach vorne"
Der Bäderbetrieb arbeitet nun unter seiner neuer Leitung daran, die begonnenen Projekte weiterzuführen und die Attraktivität des Bades und des Saunadorfes weiter zu steigern. Bis zum Jahresende sollen 37.500 Gäste die Sauna besuchen, sodass der Tiefpunkt mit 25.000 Gästen zu Coronazeiten endgültig überwunden ist. Gäste aus dem Ruhrgebiet, die durch die Brückensperrung verloren gingen, sollen nach Wiedereröffnung der Autobahn zurückgewonnen werden. Die neuen Gäste aus dem Rheinland, aus dem Südsauerland und dem Siegerland, sogar aus Nordhessen, will man halten. Das Einzugsgebiet des Saunadorfes reicht nämlich inzwischen bis vor die Tore Frankfurts. Und: Durch gezielte Social Media-Werbung wurden sogar Niederländer animiert, nach Lüdenscheid zu kommen.
Frischer neuer Wind im Team
Der neue Mann an der Spitze ist also Ricardo Rietzschel, ein kerniger, kräftiger Mann mit krausem rötlichen Bart und wachen Augen. Der Oberlausitzer mit leichter Färbung in der Stimme hat die Verantwortlichen von Stadtwerken und Enervie mit seiner schnellen Auffassungsgabe und einer gesunden Portion Neugierde überzeugt. Sein Nimbus ist das des Anpackers - und dass er sich, seinem Lebenslauf nach zu urteilen, für nichts zu schade ist.
Der gebürtige Löbauer zog im Kindesalter von der Oberlausitz - Löbau liegt auf halber Strecke zwischen Dresden und Bautzen - für 20 Jahre nach Berlin, wo er seinen Schulabschluss an der gymnasialen Werner-Seelenbinder-Sportschule erwarb. Rietzschel trainierte dort als Wasserballer; am gleichen Ort übrigens wie die Schwimmerin und mehrfache Welt- und Europameisterin Franziska van Almsick.
Nach der Schule ging Rietzschel als Zeitsoldat nach Hannover. Im Wasserball-Leistungskader angesiedelt, schrammte er knapp an der Nominierung zu den Olympischen Spielen in Sydney 2000 vorbei, berichtet er. Nach der Zeit als Sportsoldat begann er eine Ausbildung als Automobilkaufmann bei einem großen Mehrmarken-Autohaus im Norden von Dresden; später war er in der Immobilienbranche tätig. Fast zehn Jahre habe er dann im Food-Bereich gearbeitet und sich dem Vertrieb "geklärter Butter", also reinem Butterfett, gewidmet. Bei der Radebeuler Firma "Lilith Ghee" wird Rietzschel zum Betriebsleiter der Manufaktur. "Ghee", aus Butter hergestellt nach einem "ayurvedischem Siedeverfahren", ist der indische Name für geklärte Butter. Hausfrauen kennen das Produkt seit Generationen unter dem Namen "Butterschmalz".
Nach dem Ausflug in die Lebensmittelbranche leitete der 44 jährige zwei Jahre als Center-Manager das Multifunktions-Freizeitbad „Wonnemar" im sächsischen Bad Liebenwerda östlich von Leipzig. In dieser Funktion verantwortete Rietzschel das strategische und operative Management der 13.400 Quadratmeter großen Sport- und Wellness-Anlage mit Erlebnisbad, Sportbad, Therme, Sauna, SPA und Fitnesscenter. Jetzt lockt ihn die Herausforderung nach Lüdenscheid, wo er neue Konzepte für die beiden Bäderbetriebe entwickeln und umsetzen möchte.
"Diese Sensibilitäten hatten andere Kandidaten nicht"
Der neue Leiter überzeugte bei seinem Vorstellungsgespräch mit offenbar nicht häufig zu findendem Engagement: Im Laufe des Gespräches punktete er damit, dass er quasi "undercover" die beiden Bäder in Lüdenscheid und Kierspe sowie das Saunadorf besucht hatte. Dort hatte er sich mit dem Personal unterhalten und umfassend informiert. Diese Neugier verschaffte ihm direkt entscheidende Pluspunkte, denn laut Neumann hob er sich dadurch stark von den anderen Kandidaten ab. "Ist das nun der Oberlausitzer im allgemeinen oder der Zeitsoldat im besonderen, der vor die Lage kommen will, Herr Rietzschel? "Weder noch", antwortet der Befragte schlagfertig - "das bin einfach ich." Er wolle die Dinge im Bad nicht aus der Akte, sondern aus eigener Anschauung kennen und beurteilen können.
Privat bleiben Sport und Wasser die Passion des vierfachen Vaters: Der frühere Leistungsschwimmer ist immer noch als Rettungsschwimmer und im Handball aktiv.
Nach seinen ersten beiden Wochen fühlt sich Rietzschel jetzt schon "sauwohl". Für ihn ist auch seine Wohnung an der Altenaer Straße in der Nähe ein Glücksgriff und groß genug, die ganze sechsköpfige Familie beherbergen zu können. Gleichwohl bleiben Rietzschels Frau und seine Kinder in der angestammten Heimat, kommen aber auf Besuch nach Lüdenscheid. Ansonsten pendelt Familienvater Rietzschel an jenen Wochenenden, an denen seine Präsenz in Lüdenscheid entbehrlich ist, zu Frau und und den zehnjährigen Zwillingssöhnen, zu seinen 21 Jahre und 16 Monate alten Töchtern. Seit dem 1. September pendelt er also zwischen Bad Liebenwerda und Lüdenscheid. 537 Kilometer wirft das Navi als Distanz aus.